Sonntag, 6. September 2009

Spezialisierung zum Generalistentum

In seinem Buch "5 Minds for the Future" zählt der US-amerikanische Psychologe Howard Gardner die aus seiner Sicht relevanten 5 Intelligenzformen auf, die im 21. Jahrhundert von zentraler Bedeutung sein werden: 1. diszipliniertes Denken 2. synthetisches Denken 3. kreatives Denken. 4. respektvolles Denken 5. ethisches Denken. In dem Kapitel über synthetisches Denken erwähnt er eher in einem Nebensatz den Pädagogen Vartan Gregorian, der darauf hin weist, dass künftig womöglich eine Spezialisierung nötig sei, um Generalisten herauszubilden.

Dieser Gedanke wird nicht weiter ausgeführt, scheint mir jedoch eine enorm anspruchsvolle Aufgabe für Ausbildungsinstitutionen einerseits zu sein, für Menschen, die sich selbst eher für Generalisten halten, andererseits. Synthetisches Denken setzt diszipliniertes Denken voraus - diszipliniertes Denken definiert als ein tiefes Durchdringen von mindestens einem "Fach" einschließlich der Fähigkeit zum spontanen, nichtrivialen Transfer. Gardner setzt zur Erlangung dieser Kompetenz nicht weniger als 10 Jahre an.

Noch vor kurzem konnte als Generalist jemand durchgehen, der von nichts wirklich, von vielem aber ein bisschen Ahnung hatte. Skeptiker weisen bereits darauf hin, dass vor allem in mittelgroßen Unternehmen eine Tendenz zum Heranziehen von "Universaldilettanten" besteht. Gemessen an Gardners Forderungen wäre dieser "Universaldilettant" kein Generalist neuen Typs. Der Generalist von heute - oder morgen - müsste also zumindest in einer Disziplin Spezialist sein. Von da aus würde er sein Interesse auf möglichst viele andere Gebiete lenken.

Doch reicht es nun nicht mehr aus, eklektizistisch beliebige Hypothesen "zwischen den Disziplinen" zu formulieren. Die Gefahr, als Verantwortlicher - etwa in Politik oder Organisationen - zu falschen Synthetisierungen zu kommen, wäre zu groß, denken wir nur an so komplexe Probleme wie den Klimwandel oder die Regulierung der internationalen Kapitalmärkte.

Ist es vermessen, für den Generalisten des 21. Jahrhunderts weitere 10 Jahre des Herausbildens nachhaltiger Synthetisierungsfähigkeit anzusetzen, nach dem er bereits 10 Jahre für die meisterschaft in seiner Spezialdisziplin benötigt hat? In jedem Fall brauchen wir Schulen des Lernens, die auf eine disziplinierte Art und Weise die Kompetenz des synthetischen Generalisierens vermitteln. Zu erforschen wäre nichts weniger als die Geschichte erfolgreicher Synthetisierungen unter der Bedingung steigende Komplexität, Dynamik und Interdependenz.

Langfristig werden wir Formen kollektiver Intelligenz bzw. kollektiver Intuition benötigen, insbesondere dann, wenn es um die Vorbereitung von strategischen Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen geht.

1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Gebel,

    anbei ein interessanter Link zu einem Blog, der sich ebenfalls mit diesem interessanten Thema auseinandersetzt. Ausgesprochen aussagekräftig fand ich die Skizze dazu!

    www.creativegeneralist.com/creativegeneralist_com-Dateien\2007_08_01_archive.htm

    Viel Spaß beim Studieren des Artikels ...

    Fröhliche Grüße

    Hendrik John

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