Braucht "die Intenetgemeinde" - um mal diesen von sich selbst nicht dazugehörig Fühlenden geprägten Begriff weiter zu stapazieren - eine eigene Partei? Aus schwedischer Sicht scheint die Frage klar zu sein: Ja. Aber warum? Und gilt das auch für die Bundesrepublik?
Eine Partei hat mehrere Funktionen. Insbesondere Neugründungen bringen kulturellen Wandel zum Ausdruck, Lebensgefühle, Lifestyles. Für das wilhelminische Establishment war die Gründung der SPD ein Horreur. Die ungebildete proletarische Masse formierte sich. Für gewerkschaftlich organisierte Altsozis war es Anfang der 70er ein Schocker, als langhaarige 68er in die Ortsvereine strömten und die Malocher, die zur Früschicht mussten, in den abendlichen Sitzungen einfach aussaßen und zum Teil überstimmten. Die frühen Grünen fühlten sich durch die Betonpolitik der SPD nicht mehr repräsentiert. Das Franz "Klare Kante" Müntefering kaum Verständnis dafür hat, welche Bedeutung Facebook und Myspace für die Dscheneräschn Eipott hat, liegt auf der Hand. Ein Björn Böhning reißt das allein nicht raus. Offensichtlich sind Digital Natives in den etablierten Parteien kulturell nicht vertreten und fühlen sich nicht verstanden - not my kind of people. Und auch das linksliberale und linke Bildungsbürgertum steht den Anhängern von Counterstrike und World of warcraft, den Daddlern dieser Welt mehr als skeptisch gegenüber und damit letztendlich auch dem Internet. Ein echtes Generationenproblem also. Und was ist ein IT-freies Treffen eines SPD-Ortsvereins gegen eine politische Dauer-WLAN-Party und die coolen Piraten-"Crews" (die von Ferne an die "Zellen" der illegalen KPD erinnern)? Zweifelsohne ist die Piratenpartei vor diesem Hintergrund das erste genuin (kultur-) politische Projekt der Digital Natives.
Parteien vertreten aber auch politisch-ideologische Konzepte. Hier wird es schon etwas schwieriger. Es geht um das freie Internet. OK. Teile davon ließen sich auch bei Grünen, Linken und der FDP unterbringen. Nicht umsonst hat der schwedische Pirat im EU-Parlament Gespräche mit ebendiesen Gruppierungen geführt, bevor er sich der Grünen-Fraktion anschloss. Avantgardistisch ist sicherlich die Idee, das alte Urheberecht komplett auszuhebeln. Doch reicht dieses 1-Punkt-Programm auf Dauer? Ist das Konzept des freien Fließens der Bits and Bytes so mächtig wie weiland die ökologische Fragestellung, um dauerhaft das Parteienspektrum auf sechs oder - wenn man die Freien Wähler mitzählt - sieben Akteure zu erweitern?
Und Parteien vertreten ökonomische Interessen. Hier wird es spannend. Auffällig ist, dass die Partei von männlichen Freelancern und IT-Unternehmern frequentiert wird. Die würden auch in die FDP passen, und gingen sie dorthin, würde das den ultimativen Triumph von Guido Westerwelle bedeuten. Es lieferte das fehlende X - oder i-Tüpfelchen - für das Projekt 18 Prozent plus. Guido würde neben dem klassischen Mittelstand auch noch die unternehmerische Vorhut um sich scharen. By the way: Wieviel Steuersenkung braucht eigentlich ein Piratenunternehmer? Oder ist er vielleicht bereit, ein gut funktionierndes wohlfahrtsstaatliches System wie in den skandinavischen Ländern durch hohe Steuern mitzutragen?
Also: Reicht die Kombination aus kulturellem Sich-nicht-verstanden-Fühlen, einer eher diffusen Idee eines freien Internets und den Klientelinteressen von IT-Entrepreneuren, um eine eigene Partei auf Dauer zu etablieren?
Donnerstag, 9. Juli 2009
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